Gleich am ersten offiziellen Besuchstag wird es richtig voll. Endlich haben wir ein normales Publikum, natürlich auch Betroffene, aber vor allem Menschen, die noch nicht für die Problematik der Eltern-Kind-Entfremdung sensibilisiert sind. Viele Jugendliche kommen vorbei, einige Familien, recht viele Väter oder Großväter. Wenn jemand länger als fünf Sekunden stehenbleibt, dann sprechen wir ihn an. Den Jugendlichen bieten wir an, ihre feinmotorische Geschicklichkeit auszuprobieren. Sie nehmen das Angebot dankend an. Ihr Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten bilden sie recht schnell aus. Hier beschäftigen wir Jugendliche und wir beschäftigen uns mit ihnen. Die meisten sind dankbar für die Zeit und die Zuwendung. Viele von uns betroffenen Vätern am Stand würden gern diese Zeit mit unseren eigenen Kindern verbringen, aber so viel Muße bleibt nur wenigen. Beim Spiel geht es um Konzentration, Geduld und Geschick – das sind genau die Fähigkeiten, die Väter mit ihren Kindern trainieren können, wenn sie sie dann sehen.

Oft kommen auch Familien mit Kindern vorbei. Die Kinder lassen wir raten, welche Gegenstände sich in einem Sack verbergen. Sie dürfen nur fühlen, nicht sehen. Das schult den Tastsinn. Dann ergreifen wir die Gelegenheit, mit der Mutter oder dem Vater ins Gespräch zu kommen. Schließlich sind viele Menschen von der Trennungsproblematik betroffen. 400 Scheidungswaisen kommen jeden Tag dazu, jede zweite Ehe in Großstädten wird geschieden, an jedem Tag gibt es neue Väter, die ihre Kinder kaum oder nicht mehr sehen dürfen. Für die Väter sind wir Anlaufstation – eben weil es keine staatlichen Stellen gibt, die sich um getrennte oder geschiedene Väter kümmern. Wir stellen den ersten Kontakt für Netzwerkbildung her. Wir hoffen natürlich, viele der betroffenen Väter in den Ortsgruppen wiederzusehen.

Wir kommen mit vielen Menschen ins Gespräch – dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank Walter Steinmeier, betroffenen Vätern, Kindern, Mediatoren, Sozialpädagoginnen, völlig unterschiedlichen Menschen, einige, die beruflich mit dem Trennungsthema befasst sind, aber auch vielen Betroffenen. Besonders beeindruckt hat uns eine Sozialpädagogin, die Trennungskinder betreut. Irgendwann hat sie festgestellt, dass mittellosen Vätern, die den Umgang mit ihren weit entfernt lebenden Kindern wahrnehmen wollen, eine Schlafstatt angeboten werden muss. Sie stellt dafür ein Bett zur Verfügung. Wir waren wirklich beeindruckt von diesem Projekt – dem Flechtwerk.

Es gab viel Zuspruch zum Vorhaben, allen Kindern beide Eltern zu geben und diesen Plan auch in die Tat umzusetzen. Natürlich ist uns auch Skepsis begegnet – von Beraterinnen, für die der Väteraufbruch ein rotes Tuch ist, von Frauen, die beklagen, dass sich ihre Männer aus dem Staube gemacht haben. Wir beteuern, dass wir am Stand stehen, um unser gemeinsames Sorgerecht auszufüllen oder den Umgang herzustellen, wie es aber meistens nicht dürfen – weil die Überzeugung sich immer noch nicht durchgesetzt hat, dass ein Kind zwei Eltern zum Aufwachsen braucht, auch wenn sie sich getrennt haben.

Wir gehen mit dem Gefühl, dass wir viele unterschiedliche Menschen erreicht haben, die wir sonst nicht erreichen könnten. Dazu bot der Kirchentag reichlich Gelegenheit. Hoffentlich haben wir einige Menschen sensibilisiert.

Martin vom Landesverband Hamburg
des Väteraufbruchs für Kinder